Kariertes Hemd, geputzte Schuhe. Zuverlässig, kompetent und ein bisschen altmodisch. Bodenständig statt abgehoben. Eher leise als laut, mehr Bier als Gin und ganz sicher ohne Hipster-Bart. So würde ich die Stadtwerke beschreiben, wären sie ein Mensch. Das klingt – zugegebenermaßen – etwas langweilig und so gar nicht hip. In Sachen Preiskalkulation ist jedoch seriös das neue (und allzeit) IN. Warum? Das erklären wir Euch.
Wie verhält sich der fiktive Stadtwerke-Mensch mit seinem karierten Hemd, Treckingschuhen und dem ergonomischen Rucksack, nennen wir ihn Swen? Swen plant, Swen rechnet und setzt auf Sicherheit. Swen schmeißt sein Geld nicht zum Fenster raus, er gibt nur so viel aus, wie er auch verdient und ganz sicher ist er nicht unvernünftig und leichtsinnig. Swen hat Rücklagen, ist nicht reich aber niemals pleite. Klingt das immer noch langweilig? Vielleicht. In erster Linie ist Swen aber ein Typ, dem man vertraut. Und das zu Recht. Denn Swen plant voraus und schätzt gute Qualität.
Nehmen wir nun an, Swen ist – als personifizierte Planungssicherheit – Erdgas-Einkäufer bei den swt. Dann überlegt Swen, wie viele Erdgas-Kunden die swt haben, wie viele durch Zu- oder Wegzug hinzukommen oder möglicherweise verloren gehen. Wird der Winter kälter als in den Vorjahren oder vielleicht – dem Klimawandel sei es „gedankt“ – milder? Gibt es größere Gebiete im Innenstadtbereich, die die Stadtwerke mit Fernwärme erschließen und somit vom Erdgas- an das Wärmenetz verlieren?
Dafür trifft sich Swen mit vielen verschiedenen Kolleginnen und Kollegen bei den Stadtwerken und holt Infos ein. Die Vertriebsexpertin zeigt ihm die Kurve der letzten Jahre – aha, durch die hohen Förderbeträge für neue Heizungsanlagen gibt es viele Erdgas-Kunden, die jetzt auf Wärmepumpen setzen. Weniger Erdgas-, höherer Strombedarf. Der Ingenieur aus dem Wärmebereich zeigt Swen die Pläne für die Erschließung des neuen Stadtquartiers mit Fernwärme. Hier ist nicht mit neuen Erdgaskunden zu rechnen. Alle Informationen, die Swen gesammelt hat, vergleicht er mit dem Erdgasverbrauch aus den Vorjahren – und berechnet so den geschätzten Bedarf fürs kommende Jahr. Diese geschätzte Menge kauft Swen an der Börse ein. Nicht auf einmal, sondern zu vielen verschiedenen Zeitpunkten über einen bestimmten Zeitraum. So geht Swen den stärksten Preisschwankungen aus dem Weg. Damit ist der Preis zwar nicht der günstigste, aber eben auch nicht der teuerste, sondern stabil über eine lange Zeitstrecke.
Swen lehnt sich also bequem zurück, wenn er von steigenden Erdgaspreisen hört. Denn sein Vorratsschrank ist voll, zumindest rechnerisch. Ein Eichhörnchen, dieser Swen!
Eine schöne Geschichte! Und natürlich völlig überspitzt. Denn würde der Energiemarkt so einfach funktionieren, gäbe es vermutlich wenig Probleme. Fakt ist: In diesem Jahr sind die Erdgas-Preise in die Höhe geschossen, nicht hauptsächlich, aber auch in Deutschland. Darauf hat Swen keinen Einfluss. Denn der Gaspreis setzt sich aus drei großen Preisblöcken zusammen: Je rund ein Viertel des Preises kommen durch Netzentgelte und durch Steuern, Abgaben und Gebühren zustande. Die andere Hälfte entfällt auf die Beschaffungskosten. Und genau dort gibt es auch die größten Schwankungen.
Beim Erdgas-Großeinkauf bestimmt natürlich in erster Linie die Nachfrage den Preis – das ist keine Überraschung, sondern Marktwirtschaft. Gleichzeitig spielen aber auch die Witterung und politische Rahmenbedingungen eine Rolle. Im letzten Jahr war das vor allem durch den extrem schnellen wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach der Corona-Pandemie zu spüren: Die Nachfrage insbesondere nach Gas war groß, Hauptabnehmer war Asien. Dort wurde mehr bezahlt, gleichzeitig fehlten vorhergesehene Gasmengen aus Russland. Die Folge: Erdgas-Verknappung in Europa und Preise, die in schwindelerregende Höhen kletterten. Eisigkalte Winter – nicht bei uns, aber in anderen Teilen der Welt – haben einen weiteren Beitrag zur Gaspreisentwicklung geleistet.
Mit anderen Worten: Erdgas ist überall auf der Welt stark nachgefragt, der Preis dementsprechend hoch. Ob das so bleibt, ist ungewiss – wahrscheinlich nicht. Wir haben also eine Stellschraube, wenn wir den Gaspreis für unsere Kunden kalkulieren: Wir müssen die Menge so genau abschätzen, dass wir den Bedarf im nächsten Jahr decken und gleichzeitig den Preis halten können. Der Erdgas-Preis, den der Endkunde dann bezahlen muss, ist unsere Vorstellung von einem fairen und transparenten Wert.
Konservativ könnte man diesen Ansatz auch nennen. So wie Swen. Der ist mit sich und seiner Planung zufrieden. Denn anders als sehr viele andere Anbieter müssen die Stadtwerke im nächsten Jahr nur eine vergleichsweise geringe Preissteigerung beim Erdgas an die Endkunden weitergeben. Strom wird sogar günstiger – nicht nur, aber auch weil Swen seriös und langfristig kalkuliert hat. Nun könnte man argumentieren: Ich suche mir den günstigsten Preis und wenn der steigt, wechsle ich zum nächsten Billig-Anbieter. Mit wahnwitzig niedrigen Preisen haben viele Anbieter so massenhaft Kunden gewonnen. Das Geschäftsmodell ist denkbar einfach: Erdgas-Mengen werden zu günstigen Preisen an der Börse eingekauft, und zwar immer dann, wenn der Preis niedrig und die entsprechende Menge verfügbar ist. Das ist – Verzeihung – hochspekulativ und unseriös. Und fällt dann auf, wenn die Preise plötzlich sprunghaft ansteigen. So wie im Moment. Dann können diese Anbieter ihre Kunden nicht mehr zum vereinbarten Preis beliefern. Die Folge: Erste Anbieter melden Insolvenz an, der Kunde rutscht in den teuren Grundversorgungstarif seines Netzbetreibers. Passiert das zufällig einem Kunden im Tübinger Netz, freut und ärgert sich Swen gleichzeitig. Jeder neue Kunde ist gut, bringt aber auch seine sorgfältige Kalkulation durcheinander. Gut, wenn Swen dann Puffer eingeplant hat.