Marius ist Mister Energiedach:

Der Mann für den bequemen Sonnenstrom

Die Ära der langen Wartelisten ist vorbei. Schon in sechs Monaten könnte eine neue Photovoltaik-Anlage laufen, sagt Marius. Denn aktuell, im Frühsommer 2024, ist die Lage auf seinem Schreibtisch vergleichsweise entspannt. Noch vor einem Jahr hat er eine Liste geführt mit bis zu 80 Interessierten, die Geduld haben mussten. Derzeit gibt es keine Engpässe mehr bei Bauteilen. Auch Handwerker sind gerade verfügbar. Wer sich jetzt bei Marius meldet, kann schon im nächsten Winter eigenen Strom nutzen.

Ja, Photovoltaik-Anlagen sind was Tolles. Sobald sie fertig sind, liefern sie jahrzehntelang klimafreundlichen Strom. Davor allerdings muss man sie erst bauen. Oder bauen lassen. Das bedeutet: das Dach prüfen, eine passende Anlage berechnen und planen lassen, Angebote vergleichen, sich für Hersteller und Komponenten entscheiden, Handwerker beauftragen, Kabelführungen vom Dach bis zum Netzanschluss klären, die Baustelle überwachen und allerhand Schriftverkehr erledigen.

Viel zu tun also, und nicht jeder macht sowas gern. Manche Leute haben Gruselgeschichten gehört, was alles schiefgehen kann. Sich den Stress auszumalen, macht nicht gerade Lust auf eine PV-Anlage. Viele haben für so ein Paket an Zusatzaufgaben auch einfach keine Zeit. Andere fühlen sich vom Thema oder den nötigen Entscheidungen überfordert. Kein Wunder, dass so manches PV-Projekt immer wieder vor sich hergeschoben wird.

Genau dann wäre das „Energiedach“ vielleicht eine gute Idee. Seit 2016 bieten die Stadtwerke Tübingen schon an, für Privatleute solche Anlagen zu bauen, und zwar schlüsselfertig. Rund 1750 Kunden sind inzwischen schon beraten und mit einem ersten Angebot versorgt worden. Ansprechpartner dafür ist seit Kunde Nr. 318 immer Marius Ulmer gewesen. Außer, wenn er mal Urlaub hat. Dann bitten seine Kollegen etwaige Anrufer um etwas Geduld, und kurz darauf meldet sich – genau, Marius.

Tatsächlich sind die ersten Schritte simpel, erklärt Marius. Interessierte sollen einfach mal Kontakt aufnehmen. Man kann ihm mailen, ihn anrufen oder direkt eine vorbereitete Liste auf der Internetseite der Stadtwerke nutzen. Marius braucht Infos übers Gebäude und das Dach, außerdem ein paar Fotos vom Dach und vom vorhandenen Zählerkasten. Interessierte sollten den eigenen jährlichen Stromverbrauch grob benennen und auch Bescheid geben, wenn es neben dem Dach hohe Bäume oder andere Schattenquellen gibt

Warum machen sich die Stadtwerke damit eigentlich so viel Mühe? Viel zu verdienen ist mit dem „Energiedach“ nicht. Tatsächlich ist die Motivation grundlegend anders: Es geht hier um Klimaschutz und Energiewende. Die Stadtwerke wollen aktiv dazu beitragen, dass es in und um Tübingen schneller mehr Sonnenstrom gibt. Drum helfen wir mit, PV-Projekten Beine zu machen.

Genau genommen sind es ja immer Marius‘ Beine, die das Tempo machen. Und diese Beine können was. Das wissen auch die Leute bei ihm daheim in der Rottenburger Gegend. Da hat sich der 27-jährige einen Namen gemacht als Fußballer. Sofern das Kreuzband ihn lässt, spielt er auch Tennis. Er sitzt im Ausschuss seines Sportvereins, trainiert Fußballnachwuchs und ist (theoretisch) Mitglied der Feuerwehr (aber dafür langt die Zeit nicht immer, räumt er ein). Im September 2017 kam er zu uns, als Azubi, und wurde Industriekaufmann. Schon vor seinem Ausbildungsende haben Kollegen erkannt, was er kann und dass er sich, auch dank einer Anlage auf dem Dach seiner Eltern, ernsthaft für PV interessiert. Als ein Kollege ging, hat Marius von ihm das Thema Energiedach komplett übernommen. Seit einer Fortbildung ist er auch ein TÜV-geprüfter Fachberater für PV und Speichertechnik. Kollegen nennen ihn manchmal „die personifizierte Energiewende“.

Da jeder Beruf so seine Berufskrankheiten mit sich bringt, fühle ich Marius jetzt mal auf den Zahn und will wissen, was er sich in seinen Photovoltaik-Jahren so alles zugezogen hat. Jubelt er vielleicht, leise oder auch hemmungslos, sooft er an einer Anlage vorbeifährt? Nö. Hat er die ganze Zeit die Finger am Handy, um irgendwelche PV-Ertragsmeldungen zu checken? Auch nicht. Schielt er vielleicht häufiger interessiert nach großen, noch ungenutzten Dachflächen? Sogar in seiner Freizeit? Erwischt. Neulich, auf dem Polterabend von Freunden, blieb sein Blick plötzlich oben hängen: „Warum habt ihr eigentlich noch keine PV-Anlage?“ Muss man verstehen – es war echt ein schönes Dach. Von Kumpels hört er dann auch mal: „Du hosch jetzt Feierabend, halt dei Gosch.“

Dabei ist Marius Ulmer kein Öko-Missionar. Wer sich von ihm beraten lässt, wird es mühelos heraushören können, wenn Marius zögert. Wenn er aus seiner kaufmännischen Perspektive eine Anlage für mäßig rentabel hält. Klar, er ist Dienstleister: Machen kann man fast alles, sofern die Kunden es haben und auch bezahlen möchten, „wir verbieten nichts“. Aber Marius ist ein echter Schwabe, bodenständig und realistisch. Und Darum ist er jedes Mal froh, wenn die Rahmenbedingungen für eine Anlage gut passen und wirklich was Lohnendes dabei herauskommt.

Bernd Schott

Blaue Dächer braucht die Stadt!

Bernd Schott ist der Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte der Stadt Tübingen. Er stört sich daran, dass es bei Photovoltaik so oft um Rentabilität geht. „Wir kaufen so vieles, was sich nie rentieren wird: einen guten Cappuccino im Café, die neue Einbauküche, die besonders schicke Badewanne. Aber bei einer PV-Anlage muss es dann gleich die ganz große Rendite sein.“ Schott ist sich sicher: Es spielt fast keine Rolle, wie sich die Strompreise entwickeln. Langfristig werden sich nahezu alle PV-Anlagen lohnen. Privat und für die Gesellschaft.

Die Stadt würde sich sehr wünschen, dass möglichst viele Menschen aus Tübingen ihre Dächer zur Verfügung stellen für Photovoltaik. Dass die Stadtbevölkerung mitwirkt bei der Energiewende. Denn am Ende kommt es auf die Mengen an, auf Erträge.

„Wir haben einen enormen Energie-Hunger, alle miteinander. Einen Teil der Verantwortung dafür sollten wir auch selbst übernehmen!“, sagt der Klimaschutzbeauftragte. Er ärgert sich, wie viele Dächer in Tübingen noch leer sind, obwohl dort gute Ausbeute möglich wäre. Es müssen ja nicht gleich alle sein. Aber wenn die Hälfte der bebaubaren Dächer in Tübingen für Sonnenstrom genutzt würde, das sähe er schon sehr gern. Denn jeder Quadratmeter Photovoltaik, der auf Dächern untergebracht wird, senkt auch den Druck, noch mehr Freiflächen mit PV zu belegen.

Die Hälfte der Dächer: Das ist auch ein erklärtes Ziel des Tübinger Klimaschutzes. Die Stadt Tübingen hat eigene, sehr ambitionierte Klimaschutz-Ziele. Vieles wurde dafür errechnet und konkret beziffert. Klar ist: Es wird sehr schwer, vielleicht ist es sogar unmöglich, dass man direkt in Tübingen all die Energie erzeugt, die in Tübingen gebraucht wird. Realistisch ist die Idee, zumindest 30 bis 40 Prozent des Strombedarfs der Stadt zu decken durch PV im Stadtgebiet. Und dafür bräuchte man, über den Daumen, etwa die Hälfte der geeigneten Dächer.

Bernd Schott appelliert speziell an Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, die über ein eigenes Dach entscheiden dürfen und sich eine Anlage leisten können. Davon gebe es in Tübingen genug, sagt er. Sie sollen zum Wandel beitragen: „Eigentum verpflichtet“, betont er. „Andere können einfach nicht, weil sie Mieter sind oder weil sie kein Geld haben. Oder man wird ausgebremst von Eigentümergemeinschaften, da herrschen leider immer noch schwierige Rahmenbedingungen.“ Umso mehr sollten die tun, die können. Bernd Schott betont: Wer sich vor Jahren dagegen entschieden habe, vielleicht weil das Dach nicht perfekt nach Süden ausgerichtet ist, dürfe gern nochmal neu drüber nachdenken. Heutzutage bringen PV-Anlagen auf fast jedem Dach ordentliche Erträge, und die Kosten für PV-Anlagen sinken stetig.

Auch Abendsonne kann ergiebig sein.

Stimmt soweit, bestätigt unser Pragmatiker Marius: Selbst auf Norddächern kann man heute Anlagen mit guter bis sehr guter Ausbeute bauen. Sofern die Dachneigung und Größe passen. Aktuell seien reine Nord-Anlagen die Ausnahme. Ziemlich üblich ist PV inzwischen auf Dächern, die mit dem Giebel nach Süden zeigen, ihre Flächen also nach Osten und Westen ausrichten. Solche Anlagen machen derzeit etwa die Hälfte der neuen Anlagen aus. „Die passen ja eigentlich besser zum Biorhythmus“, erklärt Marius: weil die Menschen morgens beim Aufstehen und abends nach der Arbeit am meisten Energie brauchen, über die Mittagszeit aber eher weniger.

Apropos Rechnen. Jede PV-Anlage ist ein Einzelstück, eine Maßanfertigung. Sobald Industriekaufmann Marius die Basis-Daten der Kunden hat, beginnt er damit, ein erstes Angebot zu kalkulieren. Meist trifft er den späteren Preis da schon zu etwa 90 Prozent. Sind die Kunden mit diesem Rahmen einverstanden, wird’s konkreter. Dann kriegen die Kunden Besuch: Marius schaut vorbei, gemeinsam mit einem Experten eines Handwerksbetriebs. Dann wird der Zählerkasten genauer inspiziert. Man wägt verschiedene Kabelwege vom Dach in den Keller ab. Oft bitten sie auch um eine Leiter und gucken nach, was für eine Konstruktion der Dachstuhl unter den Ziegeln hat.

Beim „Energiedach“ der Stadtwerke kommen immer dieselben Handwerker zum Einsatz: Wir haben hierfür eine Handvoll regionaler Betriebe als feste Partner. Drum flutscht die Zusammenarbeit eigentlich immer. Wir begleiten die Bauzeit bis zur Übergabe der schlüsselfertigen Anlage an die Kunden.

Auf dem linken Dach eine von Marius realisierte PV-Anlage

Aber halt, so weit sind wir noch nicht. Nach seinem Besuch vor Ort präzisiert Marius das Angebot, es wird fertig gerechnet. Schlüsselfertig, das heißt ja auch: Unten steht ein Preis. Das ist der Komplettpreis samt Gerüst, „keinerlei versteckte Kosten“, verspricht unsere swt-Homepage und auch Marius.

Wobei sich Marius nicht aufdrängt. Er muss auch keine Umsatzzahlen erreichen. Er rät Kunden generell dazu, sich mehrere Angebote einzuholen. Manche werden günstiger sein als die Stadtwerke, aber groß sind die Unterschiede selten, ist Marius‘ Erfahrung. Wir als Stadtwerke dürfen nicht drauflegen und müssen unseren Aufwand für den schlüsselfertigen Komfort mit einrechnen. Andererseits haben wir Vorteile beim Einkauf der Bauteile, bekommen Großhandels-Preise, was unseren Gesamtpreis wieder senkt. Denn in den „Energiedächern“ verbauen wir dieselben hochwertigen und vor allem auch bewährten Komponenten, die wir auch in unseren eigenen Anlagen einsetzen.

Was aus Marius‘ Sicht schon auch ein Pfund in der Waagschale ist: „Wir als Stadtwerke sind als Ansprechpartner für die Kunden besonders verlässlich. Wir sind eine kommunale Gesellschaft mit 162 Jahren Tradition. Bei uns kann man sich sicher sein, auch in Jahrzehnten noch einen Ansprechpartner zu haben.“

Marius, der kundige Rechner, berät Kunden auch, wie sie ihre Anlage sinnvoll planen. Von großen Speichern rät er eher ab. „Das wäre, als wenn man das ganze Jahr über zu zweit mit einem Omnibus herumfährt.“ Höchstens, es wäre jemandem wichtig, eine Insellösung zu haben und sich bei einem großen Blackout eine Zeit lang selbst versorgen zu können. Für so einen Tag X braucht man dann natürlich größere Speicher. Im Alltag nicht, sagt Marius. Stromausfälle sind in Deutschland im Durchschnitt nach 15 Minuten behoben. Statt zu speichern, lohne es sich am meisten, wenn man selbst erzeugten Strom einfach direkt selbst verbraucht. Das ist sehr simple Mathematik: Zugekaufter Strom ist heute deutlich teurer als das, was man fürs Einspeisen kriegt. Und dabei wird es wohl auch bleiben. Drum rät Marius, im Haushalt umzustellen, was geht. Klassisches Beispiel: die Uhrzeit fürs Wäschewaschen. Moderne Home-Manager hält er für sehr sinnvoll in Verbindung mit einer PV-Anlage, drum ist der immer dabei beim Energiedach. Im Neubau kann man den Home-Manager dann mit allen Smart-Home-Funktionen verbinden, im Altbau ist Smart Home manchmal noch schwierig zu realisieren.

Das Manager-Tool auf dem Smartphone mache auch Spaß, oder sogar süchtig, berichtet Marius: Die meisten Kunden schauen in den ersten Wochen und Monaten besonders eifrig aufs Handy und lesen mit, was die eigene Anlage grad so liefert. Manchmal entdecken sie dann kurze Löcher oder Einbrüche in der Stromproduktion. Kann sein, dass Marius dann einen Anruf kriegt: Was ist los? Plötzlich kein Strom mehr? Neue Anlage kaputt? Sehr unwahrscheinlich, sagt Marius. Meist genügt es, wenn man kurz abwartet. Seine Erfahrung sagt: Die Internet-Verbindung zum Einspeise-Zähler stottert deutlich häufiger als eine PV-Anlage, wenn man sie erst mal gut ans Netz gebracht hat.

Auch das Lagerdach der swt in der Eisenhutstraße trägt eine große PV-Anlage


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