In Tübingen sprießen die Mini-Solaranlagen aus den Balkons wie Pilze aus dem Boden – und zwar ganz ohne Zutun der Stadtwerke. Chapeau, liebe Tübingerinnen und Tübinger! Wir sind stolz auf euch. Ja, wir finden es großartig, wenn Menschen ihren eigenen Strom erzeugen, und wir bei den Stadtwerken unterstützen sie gerne dabei. Wir selbst bauen unsere Erzeugung aus Sonnenenergie auch immer weiter aus. Aber es gibt ein paar Punkte, die man im Blick haben sollte, damit so ein Balkonkraftwerk wirklich sicher läuft. Und weil ich selbst kein Technik-Profi bin, habe ich mich mal quer durch unseren Kollegenkreis gefragt: Wo hakt’s? Was läuft easy? Und was sollten Laien besser vermeiden? Lehnt euch zurück und lasst es euch von mir erklären …

Fakten, die beeindrucken
Im August 2025 waren 900 Balkonkraftwerke in Tübingen angemeldet – also, grob gesagt, zehn pro 1.000 Einwohner, dazu weitere 500 im restlichen Netzgebiet der swt. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg haben nur drei von 1.000 Menschen eine solche Anlage. Tübingen ist also fast die „inoffizielle Hauptstadt der Balkon-Solar-Fans“.
Übrigens: Balkonkraftwerke sind auch bekannt als Stecker-Solaranlagen oder Mini-PV – ich bleibe hier lieber beim Begriff „Balkonkraftwerk“, klingt einfach netter.

Dinge, die uns umtreiben
Ganz neu ist das Thema nicht. Schon seit Jahren stehen bei jedem Tübinger Klimatag im April vor dem Rathaus Aussteller mit ihren Modulen. Aber warum liest man über Balkonkraftwerke so wenig von uns, den Stadtwerken? Wir freuen uns, wenn die Tübinger selbst Strom erzeugen, wirklich! Das passt super zu unserem Ziel, mehr Ökostrom dezentral ins Netz zu bringen. ABER wir tun uns etwas schwer mit einer klaren Position, denn typische Fehler beim Anschließen oder Betreiben solcher Mini-Anlagen können gefährlich sein.
Daher habe ich meine Kollegen vom Vertrieb des swt-Energiedachs, aus dem Netzservice und aus dem Fachgebiet „Einspeisung“ gefragt: Was genau hält euch eigentlich noch zurück? Die Antworten sind spannend – und keine Sorge! Ich übersetze sie für euch so, dass es nicht nach trockener DIN-Norm-Lektüre klingt wie unsere eigene Website – aber dazu kommen wir noch.
Wie funktioniert ein Balkonkraftwerk überhaupt?
Mein Kollege Marius Ulmer, gelernter Industriekaufmann, der auch PV-Dachanlagen vermittelt, ist einer, der sich richtig in technische Dinge reinfuchst. Seit unserem Tag der offenen Tür 2024 hat er das komplette Anschauungsmodell eines Balkonkraftwerks im Büro stehen.
Also, Marius, wie läuft das Ganze?
Er erklärt mir: „Das Modul auf dem Balkon fängt Sonnenlicht ein. Der Wechselrichter – das ist ein flaches Kästchen, kaum größer als ein schmaler Aktenordner – wandelt den Gleichstrom in Haushalts-Wechselstrom um. Und dieses Kabel mit Stecker bringt die Energie in dein Wohnungsnetz. Sobald die Sonne scheint, bedienen sich Kühlschrank, Laptop und Kaffeemaschine direkt am ‚Balkon-Strombuffet‛. Je mehr du sofort verbrauchst, desto weniger Strom beziehst du aus dem Stadtwerke-Netz. Dein Zähler dreht sich also langsamer, deine Stromrechnung sinkt. Und wenn du nicht zu Hause bist, fließt der überschüssige Strom einfach ins Tübinger Netz – keine Verschwendung, kein Stress und ein kleiner Beitrag zur Energiewende.“ Danke Marius, ich weiß jetzt Bescheid!



Marius haben wir übrigens schon einmal im Blog porträtiert: Wer sich für eine Solarablage auf dem Dach interessiert, kann im Anschluss gleich hier weiterlesen.
Meine Freundin Melanie und ihr sonniges Balkon-Abenteuer
Jetzt mal raus aus der Theorie und rein ins echte Leben. Meine Freundin Melanie aus Stuttgart hat vor acht Monaten ein Balkonkraftwerk mit zwei Modulen an ihre Balkonbrüstung gehängt. Damit war sie eine der ersten im Freundeskreis und ist inzwischen meine persönliche Solar-Influencerin. Natürlich musste sie ihren Vermieter fragen, der ohne triftigen Grund nicht ablehnen durfte.
Heute strahlt sie nicht nur mit der Sonne, sondern auch wegen ihrer Stromrechnung. Als Mieterin ohne eigenes Dach ist ihr Balkon ihre kleine persönliche Energiewende-Zentrale. In diesem sonnigen Jahr 2025 hat sie bis August schon rund 600 Kilowattstunden geerntet – etwa so viel, wie Kühlschrank und Waschmaschine eines 2-Personen-Haushalts verbrauchen. Große Geräte wie Wasch- oder Spülmaschine lässt sie nun auch laufen, wenn sie tagsüber Strom erzeugt, nicht mehr abends oder nachts wie früher (einen Speicher hat sie bisher nicht angeschafft). Sie deckt damit 10 bis 20 Prozent ihres Strombedarfs selbst. Ihr Fazit: „Warum habe ich das nicht schon früher gemacht?“
Die richtige Leistung finden
Nach Melanies Erfolgsgeschichte interessiert mich, wie ich das Gerät finde, das zu meinem Balkon und meinem Verbrauch passt. Mein Kollege Tim Steinhilber aus dem Netzservice erklärt: „In Deutschland liegt die maximal erlaubte Wechselrichter-Leistung bei 800 Watt, mehr darf’s offiziell nicht sein. Für kleine Haushalte reichen auch 400 Watt. Online gibt es zwar Sets für Module mit bis zu 2.000 Watt Peak (damit ist die maximale Leistung der Photovoltaik-Module unter Testbedingungen gemeint), um bei schlechter Sonneneinstrahlung mehr Licht einzufangen. Aber, wie gesagt, die 800 Watt-Wechselrichter-Grenze gilt auch dafür.“ Laut der Verbraucher-Seite utopia.de lohnt sich das nur für größere Haushalte oder ungünstig ausgerichtete Balkone.
Montage im Team und bitte keinen Solo-Kraftakt
Die Montage solltet ihr nicht unterschätzen: Ein Modul wiegt rund 20 Kilogramm, und wer schon mal versucht hat, einen Kleiderschrank allein die Treppe hochzuwuchten, weiß, wie schnell man an seine Grenzen stößt. Und ist es einmal angebracht, wirken Wind, Regen oder Schnee auf das Modul wie auf ein Segel. Da entstehen Kräfte, die man leicht unterschätzt. Es muss also richtig gut befestigt werden. Mein Tipp: Holt euch Hilfe, nutzt passende Halterungen, die wirklich für euer Balkongeländer ausgelegt sind. Es gibt ja so viele Varianten von Balkonen, wie ich beim Radeln durch Tübingen immer wieder sehe, von gemauerten über Stahlgestänge bis zur Glas-Brüstung. Und bitte: Hütet euch vor waghalsigen Kletteraktionen mit Modul unterm Arm und Drehung auf der Leiter.




Osten, Süden oder Westen?
Die wichtigste Frage – noch vor „Wie montiere ich das Ding?“ – ist die Frage „Wohin damit?“ Denn so schön Solarmodule glänzen – ohne Sonne machen sie einfach schlapp. Melanie hatte Glück: Ihr Balkon ist nach Süden ausgerichtet, da gibt’s die volle Ladung Sonnenstrahlen. Meine Eltern zum Beispiel haben inzwischen auch Module aufgehängt, ebenfalls an guten Standorten – ja, auch bei uns in der Familie wird inzwischen auf mehreren Balkonen Strom geerntet.
Was solltet ihr also bei der Standortwahl beachten? Süden: Jackpot – maximale Ausbeute! Ost- oder Westausrichtung: Funktioniert immer noch ordentlich, vor allem, wenn ihr morgens oder abends viel Strom verbraucht. Wie sieht‘s aus bei Teil-Verschattung? Darin liegt die echte Tücke: Ein Baum oder das Nachbarhaus, das mittags Schatten wirft, kann den Ertrag überproportional runterziehen. Da hilft kein Schönreden – Schatten ist der natürliche Feind eines Balkonkraftwerks.
Von Normen und Steckern
Stellt euch vor, ihr habt ein hochwertiges Modul gekauft – nicht beim Billiganbieter im Internet, sondern beim Elektrofachbetrieb eures Vertrauens. Was raten unsere Kollegen vom Netzanschluss-Team? Tim Steinhilber erklärt mir, was da eigentlich auf unserer Website mit den ausführlichen FAQs steht: „Die Anlage sollte laut DIN VDE V 0100-551-1 entweder fest angeschlossen werden ODER über eine spezielle Energiesteckvorrichtung nach DIN VDE V 0628-1 steckbar sein.“ Diese Normen werden derzeit überarbeitet – es ändert sich ständig mal was. Übersetzt für uns Normalsterbliche, die eine technisch saubere Lösung suchen, heißt das nun:

Variante 1 ist die mit einem Festanschluss durch einen Elektriker wie beim Herd oder Durchlauferhitzer. Vorteile: kein Wackelkontakt möglich, geringeres Risiko für Stromschlag oder Brand. (Stell dir mal vor, da zieht jemand den Stecker halb raus, während das Solarmodul Strom einspeisen will …)
ODER, das ist Variante 2: eine Energiesteckdose, meist als Wieland-Steckdose bekannt. Verriegelt durch Verschraubung, aus robustem Material, und damit für die Dauerlast ausgelegt. Auch die muss allerdings der Profi einsetzen und verursacht dadurch Kosten: Rund 250 Euro sind nach meiner Recherche einzuplanen. Der Elektriker prüft bei der Anbringung auch das Hausnetz: Ist die Leitung stark genug für die Einspeisung? Muss eine Sicherung ausgetauscht werden? So seid ihr auf der sicheren Seite – und könnt euer Balkonkraftwerk bedenkenlos darin selbst einstecken.
Sicherheit geht vor
Das läuft also darauf hinaus, dass die Stadtwerke sagen: Ein handelsüblicher Schuko-Stecker ist für ein Balkonkraftwerk nicht optimal, auch wenn er nicht verboten ist. Wie ihr das letzten Endes umsetzt, ist natürlich eure Entscheidung. Kollege Tim meint zu den Schukos: „Die sind für normale Haushaltsgeräte gedacht wie Fön, Staubsauger, Kaffeemaschine, nicht für ein Gerät, das dauerhaft hohe Ströme liefert. Das kann warm werden, schlimmstenfalls entsteht Brandgefahr.“ Aber weder Balkon noch Wohnung sollten zur Feuerschutzübung werden. Tim ergänzt, Schuko ist für das „Strom Entnehmen“, aber nicht fürs „Strom Zurückspeisen“ gedacht. Wir merken uns: Schuko ist nicht gleich Energiestecker.

Papierkram für Anmeldung, Steuern & Förderungen
Okay, euer Balkonkraftwerk hängt sicher, der Stecker passt – jetzt kommt der letzte Schritt: Die offizielle Anmeldung im „Marktstammdaten-Register“, denn die ist Pflicht! Die Anmeldung sollte innerhalb der ersten vier Wochen erfolgen. Klingt bürokratisch, ist aber echt unkompliziert geworden (eine einfache Anleitung gibt’s hier: Registrierungshilfe_Balkonkraftwerk.pdf). Die Registrierung hilft Tim und seinen Kollegen, also den Stadtwerken als Netzbetreiber, den Überblick darüber zu behalten, wie viele private Anlagen ans Netz angeschlossen sind. Wenn ihr den Strom, den ihr selbst nicht verbraucht, ins Netz einspeist, könnt ihr ihn zusätzlich anmelden und vergüten lassen. In Tübingen geht das über das swt-Netzportal. Einfach online eintragen.
Auch Melanie in Stuttgart musste erstmal tief in die Tasche greifen. Aber die Rechnung geht auf: In der Regel haben sich solche Balkonkraftwerke nach drei bis sechs Jahren amortisiert. Danach erzeugt die Anlage quasi kostenlosen Strom – und das im besten Fall für 15 bis 20 Jahre. Bundesweit gibt es derzeit keine einheitlichen Förderprogramme, aber immerhin fallen beim Kauf die 19 Prozent Mehrwertsteuer weg. Außerdem zahlt ihr für den selbstverbrauchten Strom keine Steuer. In Tübingen gab es zwar ein städtisches Förderprogramm – aktuell pausiert es jedoch. In Stuttgart unterstützt zum Beispiel die „Solaroffensive“ mit pauschal 200 Euro Zuschuss. Tipp: Vor dem Kauf immer checken, welche Förderungen gerade in eurer Gegend zu haben sind.
Stromzähler-Check
Noch ein letzter Punkt: der alte Stromzähler. Tim beruhigt: Die meisten Zähler packen die Einspeisung problemlos. Sollte euer Zähler nicht kompatibel sein, tauscht unser Technischer Service ihn kostenlos aus. Das kann bis zu einem Jahr dauern (denn wir ziehen zuerst die Infos aus dem Marktstammdaten-Register, informieren dann intern den Messstellen-Betrieb und planen den Zählertausch in den üblichen Turnus ein). Wer mag, kann sich online schon mal die modernen Zähler in der Bildergalerie anschauen – sieht fast aus wie ein kleines Sci-Fi-Gadget.
Letzte Unsicherheit klären – und dann: Sonne genießen!
Wenn ihr also alle Punkte beachtet habt – das Modul sicher montiert, die richtige Steckdose genutzt, Anmeldung erledigt und Fördermöglichkeiten geprüft hast – dann könnt ihr euch zurücklehnen und euren Balkon auch im Herbst noch als kleine Energiequelle feiern.
Also: Trau dich! Mach deinen Balkon zum Kraftwerk, genieße die Sonne, spare Strom und erzähl uns, wie es läuft! Denn je mehr Leute ihre Erfahrungen teilen, desto einfacher wird’s für alle, die auch Lust auf ein kleines Stück Energiewende haben. Und solltest du doch lieber die große Lösung auf deinem Dach haben wollen, wende dich einfach an Marius, unseren Mister Energiedach.
PS: Noch ein kleiner Tipp: Wer sich absichern will, kann sich auf Plattformen wie utopia.de über die ganze Reihe von typischen Fehlern und das Thema Versicherungen informieren – besser gleich vorbereitet sein, als sich später zu ärgern!
Quellen:
utopia.de Balkonkraftwerk kaufen: Vermeide diese 6 Fehler
nexentbank.de/newsletter/august-2024/balkonkraftwerk-so-bleibt-die-mini-pv-anlage-steuerfrei/
Zur Autorin:
Kathi Brielmann interessiert sich für viele Nachhaltigkeits-Themen
aus Leidenschaft, leider aber ohne eigenen Balkon.
Lust auf noch mehr Nachhaltigkeit? Andere Beiträge zum Thema findet ihr hier!




