Letzte Woche war Weltwassertag, wie jedes Jahr am 22. März. Der Aktionstag legt den Fokus auf dieses nasse Gut, dass tagtäglich aus unserer Leitung kommt. Wie passend für einen Versorger wie uns! Aber nicht nur der bewusste Umgang mit unseren Ressourcen ist dadurch wieder in aller Munde, auch das Thema Wasserfußabdruck und „virtuelles Wasser“ geistert durch die Medien. Was es damit auf sich hat, wie ich das Ganze wirklich verstehen und in meinem Alltag damit umgehen kann, wollte ich genauer wissen und bin dem Wasser auf den Grund gegangen: Tief Luft holen und ab auf Tauchstation!
Wasser ist gleich Wasser? So einfach ist es nicht. Es gibt Süßwasser, Salzwasser, Mineralwasser, Regenwasser, Abwasser – unzählige Begriffe kann ich zur Thematik ins Spiel bringen. Lange zurückliegende Erinnerungen an den Erdkundeunterricht werden bei meiner Recherche wach – doch lasst uns erstmal gemeinsam einen Blick auf den Globus werfen: Weltweit sind nur 0,4 Prozent des Wassers der Erde als Süßwasser nutzbar, der größte Teil ist natürlich das Meerwasser, weitere Teile sind gefroren oder unterirdisch gespeichert und nicht verfügbar.
Der unterschiedliche Umgang mit Trinkwasser
Dir und mir ist klar, Wasser ist ein kostbares Gut und die Grundlage allen Lebens auf diesem Planeten. Doch noch immer haben 2,2 Milliarden Menschen auf der Erde keinen Zugang zu sauberem, sicherem Trinkwasser. (Quelle: UNESCO Weltwasserbericht 2020). Global gesehen besteht eine große Ungleichheit zwischen wasserarmen und wasserreichen Gebieten. Es ist also an der Zeit, nochmal genauer hinzuschauen und unseren Wasserverbrauch kritisch zu prüfen.
Wir sind hierzulande sehr verwöhnt, was das Wasserangebot angeht. Noch mehr Wasser verbrauchen zum Beispiel die US-Amerikaner oder die Norweger: nämlich doppelt so viel wie wir. Hier in Tübingen sind es rund 123 Liter täglich, die pro Person aus der Leitung fließen und die in unserer wasserreichen Region in Süddeutschland kein Problem darstellen. Menschen in Ländern wie Indien oder Ägypten verbrauchen gerade mal ein Fünftel unseres täglichen Wasserbedarfs. Können wir unser ungenutztes Wasser nicht dorthin bringen, wo es auf der Welt wirklich gebraucht wird?
Unser Fußabdruck lastet schwer auf der Welt
Leider nein. Und es ist noch schlimmer. Denn über unser reales „Tübinger“ Wasser hinaus verbrauchen wir noch ein Vielfaches mehr. Indirekt – oder „virtuell“ – und weit weg von hier.
Bei „virtuellem Wasser“ sprechen wir von diesem indirekten (für uns unsichtbaren) Wasserverbrauch. Von dem Wasser, das für die Herstellung unserer Lebensmittel und Konsumgüter benötigt wird. Und so sind wir für die Wasserknappheit anderswo auf der Welt letztlich mit verantwortlich, wie ich an vielen Stellen im Netz nachlesen kann. Ein mächtiger Vorwurf, den ich erstmal näher anschauen muss: Den Großteil unserer Lebensmittel und Konsumgüter beziehen wir aus dem Ausland, und damit entsteht die Hälfte unseres „Wasserfußabdrucks“ in anderen Ländern. Als Importeure dieser Waren und Verbraucher des virtuellen Wassers leben wir sozusagen über unsere Verhältnisse. Wenn wir nun diesen virtuellen Wasserfußabdruck berechnen, sind wir trauriger Spitzenreiter. Rund 5.300 Liter TÄGLICH verbraucht jeder einzelne Deutsche auf diese Art und Weise, das sind kurz nachgerechnet: sagenhafte 35 volle Badewannen. (Quelle: Helge Swars: Virtuelles Wasser und Wasserstress in Bürger & Staat 4/2018 (PDF) )
Wirklich so groß soll dieser Wasserfußabdruck sein? Es ist mir schleierhaft, wie diese Rechnung zustande kommt. Tauchen wir gemeinsam noch tiefer ein in die Mischung des „virtuellen Wassers“.
Unsichtbares Wasser lässt sich abbilden
Virtuelles Wasser zeigt, wie viel die Herstellung eines Produktes benötigt. Es handelt sich um eine ganzheitliche Betrachtung, von der ich bisher nichts wusste und die sich so zusammensetzt (Quelle: BUND Heidelberg)
GRÜNES Wasser bezeichnet das „Regenwasser, das im Boden gespeichert und von den Pflanzen im Laufe ihres Wachstums aufgenommen wird“. Umso mehr davon im natürlichen Wasserkreislauf in der jeweiligen Anbauregion vorkommt, umso besser! BLAUES Wasser ist „alles Wasser aus Fließgewässern und Seen sowie Grundwasser […], das zur Bewässerung der Felder verwendet“ wird und zeigt damit an, wie viel Gießwasser die Pflanzen benötigen.
Und das GRAUE Wasser ist das verschmutzte Wasser, das beispielsweise durch den Einsatz von Dünger entsteht. „Sein Volumen bemisst sich an der Menge des Wassers, das rein rechnerisch benötigt würde, um die eingetragenen Schadstoffe auf ein unschädliches Maß zu verdünnen.“
Der Ort des Anbaus macht den Unterschied
Was bedeutet das nun für mich? Betrachten wir ein alltägliches Beispiel: die Kartoffel, denn sie zeigt, wo unser Handeln wirklich ins Gewicht fällt. Kaufe ich 1 Kilo Kartoffeln aus Ägypten, stecken bis zu 400 Liter Wasser darin, zwei Drittel davon entfallen auf das BLAUE Gießwasser. Verglichen mit der deutschen Kartoffel ist die importierte stark im Hintertreffen. Nur 120 Liter pro Kilogramm werden für den Anbau hierzulande benötigt, davon deckt das natürliche, grüne Regenwasser rund 70 Prozent ab.
Die Grafik zeigt deutlich: Die deutsche Kartoffel braucht fast nicht gegossen zu werden, es reicht ihr, wenn es normal regnet. Die ägyptische Kartoffel hingegen wird in einer von Natur aus trockenen und heißen Region angebaut, und muss viel zusätzlich gegossen werden. Wertvolles und rares Wasser wird für ihren Anbau gebraucht, das den Menschen nicht mehr anderweitig zur Verfügung steht.
Saisonal und regional einkaufen macht den wirklichen Unterschied
Und damit bin ich bei der für mich wichtigsten Lektion angelangt: Wenn ich weiterhin verstärkt regional und vor allem saisonal einkaufe, kann ich etwas bewirken. Im Supermarkt kann ich das ganze Jahr über Erdbeeren, Weintrauben, Spargel, Bohnen oder Tomaten kaufen. Obst und Gemüse, das auch in unseren Breitengraden wunderbar wächst, teilweise im eigenen Blumenkübel neben dem Haus – das aber eben nicht 365 Tage zur Verfügung steht. Jedes Mal, wenn ich jetzt Weintrauben aus Indien, Erdbeeren aus Peru oder Himbeeren aus Spanien in der Hand habe, fällt mir wieder ein, wie unsinnig und welche Wasserverschwendung das tatsächlich ist, und ich lege es schnell zurück. „Geduld, Kathi – noch ein paar Wochen und dann holst Du Dir ab Mai Erdbeeren und Spargel aus der Rheinebene und im Herbst wieder Äpfel vom Bodensee oder von den Schwiegereltern.“ – Mein persönliches wöchentliches Einkaufs-Mantra im grauen kalten März.
Ganz ohne Wasserfußabdruck geht es nicht
Noch mehr Beispiele gefällig? Ein Kilogramm Avocados bringt 1000 Liter Wasserverbrauch auf die Waage und liegt damit im Mittelmaß. Deutlich höher liegt dabei aber meine tägliche Dosis Kaffee, über die ich mir selten Gedanken mache und selbstverständlich verzehre: 252 Liter Wasser werden pro Tasse für den Herstellungsprozess benötigt. Aber da diese Produkte hier auf den Äckern rund um Tübingen nie zu finden sein werden, tragen sie zwangsweise zu meinem nicht ganz geringen Fußabdruck bei. Ich schätze, je mehr Mühe ich mir gebe und mich über die Herkunftsbedingungen informiere, desto kleiner wird er mit der Zeit (und das bei Schuhgröße 41!).
Weg vom Wasser – zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag
Smarticular.de liefert mir weitere gute Hinweise darauf, wie ich meinen Wasserfußabdruck verkleinern und ökologisch nachhaltiger leben kann. Tipps, die sich sicherlich schon bis zu Dir rumgesprochen haben. In meinen Augen ist Tübingen bestes Beispiel dafür, dass auf dieser Schiene was passiert: Öfter vegetarisch essen, denn die Fleischherstellung ist ziemlich wasserintensiv – klappt selbst bei Fastfood hier ziemlich gut; Bio-Produkte kaufen – gibt’s regional sowohl beim Discounter als auf dem Wochenmarkt; Lebensmittel nicht wegwerfen – gerettetes Obst, Gemüse und Brot findet sich auch im Foodsharing-Fairteiler im Rathaus für jedermann; Müll vermeiden – geht mit zwei Unverpacktläden in der Stadt auch zunehmend einfacher; oder Second-Hand-Kleidung kaufen – bei über 7.000 Litern, die in jeder Jeanshose stecken, ist das einleuchtend. Auch ein länger genutztes Smartphone hilft dabei, die Ressource Wasser weltweit zu schonen, über 5.000 Liter stecken in jedem Gerät.
Am Ende muss ich zugeben, dass mir bei meinem Tauchgang in die Welt des Wassers fast die Luft wegblieb. Ich habe gelernt, dass die Herkunft unserer Produkte und damit der Ort, an dem das virtuelle Wasser verbraucht wird, entscheidend ist, gar nicht die schiere Menge selbst. Ich selbst kann durch meinen Konsum meinen Wasserfußabdruck reduzieren. Ganz wie beim Schmetterlingseffekt: Ein kleiner Flügelschlag hier erzeugt anderswo auf der Welt vielleicht einen Tornado – und mein angepasstes Konsumverhalten, wenn viele andere sich anschließen, vielleicht weniger Wasserverschwendung und mehr sauberes Trinkwasser in wasserarmen Ländern der Erde.
Fällt es Dir auch so schwer, auf die Saisonalität von Obst und Gemüse zu achten und aktiv Augenmerk auf die Herkunft zu legen? Schreib uns Deine Erfahrungen und lass uns wissen, ob und wie Du mit dem Thema Wasser, ob realer oder virtueller Verbrauch, umgehst.