Frauen: Fachkräfte in der Mangel

Fachkräftemangel, Generation Z, New Work – im Moment dreht sich vieles um die großen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Das beschäftigt uns bei den Stadtwerken auch. Einem Thema widmen wir uns dabei besonders, denn – es ist, wie es ist – da haben wir Nachholbedarf. Es geht um Frauenförderung.

In technisch geprägten Unternehmen arbeiten mehr Männer als Frauen, auf den Baustellen genauso wie in den Führungsetagen. Das ist so. Auch bei uns. Aber muss das so bleiben? Und was tun wir, um die Frauenquote in Technik und in der Führung im Haus zu erhöhen?

Vielleicht stellen wir uns zunächst mal die Frage, warum wir als Stadtwerke überhaupt daran arbeiten – jenseits von Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung. Das sind zwar wunderbare Motive, aber seien wir ehrlich: In der Wirtschaft braucht es handfeste Gründe, die sich auch im Ergebnis niederschlagen, um einen Wandel anzustoßen. Und die gibt es: Denn zum einen können und wollen wir gar nicht auf die Arbeitskraft qualifizierter Frauen verzichten. Sie machen schließlich einen erheblichen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus. (Es klingt so banal…) Zum anderen ist längst bekannt, dass gemischte Teams die erfolgreichsten sind. Auf Frauen zu verzichten, wäre also einfach gesagt unökonomisch. Es schadet – uns als Unternehmen genauso wie der Gesellschaft.

Frauen in die Technik!

Zurück zur Ausgangsfrage: Was tun wir, um den Frauenanteil in technischen Berufen und in der Führung zu erhöhen?

Frauenanteil bei den swt (Stand 2021, insgesamt 527 Beschäftige)

Immer noch entscheiden sich (zu) wenig Frauen für technische Berufe, bei den swt auch. Die wenigen Frauen, die bei den Stadtwerken in der Technik arbeiten, sind überwiegend für Verwaltungs- und Organisationsaufgaben zuständig. Einige wenige Ingenieurinnen gibt es, auf der Baustelle sind es nicht mal fünf. Weibliche Führung in der Technik: Fehlanzeige. „Mädchen sind halt nicht so gut in Mathe und Naturwissenschaften.“ Ernsthaft? Unsere Auszubildende Olga Medenzow kennt dieses Vorurteil und ist das beste Gegenbeispiel: Der angehenden Elektronikerin machen die männlichen Kollegen so leicht nichts vor.

Elektronik-Azubi Olga Medenzow

Ich wollte immer schon einen technischen Beruf erlernen, weil ich mich einfach schon immer für Technik und Mathematik interessiert habe“, erzählt Olga. Sie stapelt tief: Es macht ihr nicht nur Spaß, sie kann es einfach auch richtig gut und ist eine der Besten auf ihrem Gebiet. Dabei ist es noch etwas anderes, das Olga antreibt. Gelebter Feminismus, so könnte man ihre Motivation vermutlich am besten beschreiben. „Wenn dir alle sagen, dass technische Berufe nichts für Mädchen sind – dann willst du das Gegenteil beweisen“, sagt Olga. „Ich bin froh, dass ich trotz allem diesen Weg gewählt habe, denn er passt perfekt zu mir.“

Mit gutem Beispiel voran 

Olga ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Frauen in technischen Berufen genau richtig sein können, wenn sie es denn möchten. Warum finden sich Mädchen dennoch eher in sozialen oder kaufmännischen Berufen statt im so hartnäckig beworbenen MINT-Bereich wieder? Diese Frage lässt sich nur im gesellschaftlichen Kontext beantworten. Denn Kinder – davon sind wir überzeugt – tragen ihre Berufsorientierung nicht in den Genen. Es ist vielmehr die Prägung, die wir unseren Kindern, vielleicht unbewusst, mitgeben. Farbcodierung – kennen wir: Jungs tragen blau, Mädchen rosa. Geschlechterspezifisches Spielzeug – kennen wir auch: Bagger für die Jungs, Puppe für die Mädchen. Kindheitsheldinnen und -helden sind streng unterteilt: Ritter für die Jungs, Prinzessinnen für die Mädels. Und so weiter und so fort. Jetzt könnte man meinen, dass sich Kinder ihr Spielzeug doch auch unabhängig davon aussuchen können und Jugendliche in ihrer Berufswahl völlig frei sind. Sind sie das wirklich? Theoretisch ja. Anders als in sozialistisch geprägten Ländern, fehlt es auch in der heutigen Bundesrepublik noch an Vorbildern. Der Weg beispielsweise in ein Handwerk macht Mädchen und junge Frauen immer noch zu Ausnahmen und Exotinnen. (Genauso wie junge Erzieher, Friseure oder Floristen.) Wie freiwillig und selbstbestimmt kann da die Entscheidung einer oder eines Jugendlichen sein?

Rollenmodelle spielen eine große Rolle bei der Berufswahl unserer Kinder. (Bild: Fotolia)

Harte Fakten

Zurück zu den Stadtwerken mit einem kleinen Blick hinter die Kulissen: 2022. Stellenausschreibung Elektromonteur. Bewerbungen von Frauen: null. Stellenausschreibung Netz-Ingenieur. Bewerbungen von Frauen: null. Stellenausschreibung IT-Systemadministratoren. Bewerbungen von Frauen: null. Die erste Hürde ist also, geeignete Bewerberinnen zu bekommen. In den technischen Berufen ist die Chance dafür ungleich schlechter als in anderen Bereichen. Warum? Weil es schlichtweg wenige Frauen in (bestimmten) technischen Berufen gibt. Wir stellen allerdings auch fest, dass man das nicht ganz pauschalisieren kann. In Berufen, die sich mit Themen wie erneuerbare Energien, Mobilität oder auch urbane Entwicklungen beschäftigen, bewerben sich nicht überwiegend, aber auch junge Frauen. Und sie arbeiten in diesen Bereichen auch schon bei uns.

Alessandra Veit ist eine von ihnen. Die Projektleiterin mit Masterabschluss in „International Management“ gehört seit 2021 zur Abteilung Telekommunikations- und Energielösungen. Im Sachgebiet Urbane Entwicklung verantwortet sie den Mobilitätsbereich sowie das Team COONO-Sharing.

Mobilitätsexpertin Alessandra Veit

In meiner Rolle habe ich eine große Sichtbarkeit, sowohl im Unternehmen als auch außerhalb“, so Alessandra. „In den vergangenen zwei Jahren ist es mir gelungen, das Sharing-Angebot der Stadtwerke stark auszubauen, neue Zielgruppen anzusprechen und so auch das Geschäftsfeld Mobilität voranzutreiben. Dabei spielt neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch die Digitalisierung eine ganz wichtige Rolle.“ Und dann gibt’s da noch etwas, das Alessandra besonders schätzt: „Bei den swt habe ich die Möglichkeit, mich als junge, selbstbewusste und zielstrebige Frau in einem innovativen Team mit zukunftsfähigen Themen auseinanderzusetzen und mich weiterzuentwickeln.“

Ja, das ist möglich – für alle fähigen und motivierten Mitarbeitenden, völlig unabhängig vom Geschlecht. Sollte eigentlich klar sein! 

Zurück zu den klassischen Stadtwerke-Aufgaben. Elektromonteurinnen, Anlagenmechanikerinnen und Elektroingenieurinnen finden wir fast nicht. Von ein paar wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Dabei ist der Wille groß!

Die Quoten-Illusion

Würde uns eine Frauenquote helfen, das Problem zu lösen? Mal ganz abgesehen davon, dass wir beim Thema Frauenquote hauptsächlich über die Zusammensetzung von Vorständen und Aufsichtsräten sprechen – eine Quote „an der Basis“ würde uns schlicht handlungsunfähig machen. Hier müssen andere Mechanismen viel früher greifen – an Hochschulen, in der Ausbildung, der Schule, ja sogar schon im Kindergarten. Wir beginnen in der Mittelstufe: Girl‘s Day, TECademy, Berufliche Bildung für Mädchen – Programme und Aktionen, die selbstverständlich auf unserer Agenda stehen.

Technik für „Girls“ am Girls‘ Day 2022

Kind UND Karriere? Manchmal schon, meistens nicht …

Die Technik ist sozusagen die Königsdisziplin in Sachen weiblicher Verstärkung. Frauen müssen jedoch im gesamten Unternehmen sichtbarer werden, auch in den nicht-technischen Bereichen. Und vor allem in der Führung.

Das gelingt heute an manchen Stellen schon recht gut, und zwar mit gezielten Maßnahmen zur Frauenförderung. Wir arbeiten an Mentoringprogrammen, Frauen vernetzen sich im Unternehmen, Entwicklungsprogramme für junge Kolleginnen sind Standard. Seit zehn Jahren dürfen wir das Zertifikat „Beruf und Familie“ führen und im Unternehmen leben. Wir achten auf eine geschlechtergerechte Sprache. Es gibt Teilzeitmodelle, die einen raschen Wiedereinstieg nach Babypausen und auch Führung zulassen. Oder: Führungsaufgaben, die in Teilzeit ausgeübt werden können.

Seit 10 Jahren schon sind die swt zertifiziert

Stephanie Theiner etwa leitet die Rechtsabteilung der swt, zwar mit weniger Stellenumfang als früher mal, dennoch mit vollem Einsatz. So bleibt Zeit für den zweijährigen Sohn. „Vereinbarkeit von Führungsposition und Familie – das war schon vor der Elternzeit mein Wunsch, der sich bei den swt nun auch durch ein familienbewusstes Führungs- und Arbeitszeitmodell umsetzen lässt“, so die Juristin. Im Führungs-Tandem mit Bereichsleiter Knud Hädicke stellt sich Stephanie den Herausforderungen, die – das können wir uns nur allzu gut vorstellen – aufgrund der aktuellen Energiekrise ganz beträchtlich sind. Dennoch: „Ich merke, dass das Teilen von Führungsaufgaben in meiner Position gelingt. Derartige Pionierarbeit ist bei den swt notwendig, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen perspektivisch zu erhöhen. Denn genau das ist es, was mich nicht nur persönlich besonders freuen würde, sondern was wir auch dringend brauchen: mehr Frauen in der Führung!“, sagt die erfahrene Abteilungsleiterin, die seit 2007 bei den swt arbeitet.  

Stephanie Theiner beim swt-Spendenlauf

Annika Koch, ebenfalls Mutter eines Kleinkindes, hat sich nach der Rückkehr aus der Elternzeit bewusst dazu entschieden, die Teamleitung im Kundenservice wieder zu übernehmen – ebenfalls in Teilzeit. Das geht. Wer jedoch behauptet, dass es leicht sei, täuscht sich. Leicht ist es nicht für die beiden Kolleginnen, die sich ihren Aufgaben mit Engagement widmen und Erwerbs- und Care-Arbeit unter einen Hut bringen. Wie so viele Frauen in Deutschland. Auch für ein Unternehmen ist es nicht immer leicht, es erfordert viel Kommunikationsstärke, es braucht angepasste Prozesse und vor allem den Willen, diesen Weg zu gehen. Vorreiter sind die Stadtwerke dabei nicht – aber sie haben das erkannt und arbeiten daran. Denn: Gut ausgebildete Frauen wollen wir im Unternehmen halten und fördern. Das ist auch für Annika ein Hauptargument: „Wir können es uns bei Fachkräftemangel nicht länger leisten, dass Frauen sich zwischen Karriere und Kindern entscheiden müssen,“ so Annika. „Um aber das Potenzial weiblicher Führungskräfte besser als bisher auszuschöpfen, müssen Arbeitgeber Modelle entwickeln, die der Lebensrealität von Frauen entsprechen. Führen in Teilzeit ist dafür ein wichtiger Hebel.“

Aber: Eine ganz besondere Eigenschaft, die die Personalsituation der Stadtwerke Tübingen auszeichnet, steht gerade der gezielten Entwicklung von Frauen im Wege. Es klingt banal – doch sind Stellen erst einmal besetzt, bleiben sie das bei uns in der Regel auch. Die Fluktuation ist gering, lange Betriebszugehörigkeiten sind auch in den Führungsebenen üblich. Ändern können und wollen wir das gar nicht, denn gute und treue Mitarbeitende sind natürlich wertvoll. Uns darauf ausruhen aber auch nicht. Deshalb gilt: Dranbleiben an den Maßnahmen und immer wieder überlegen, wo wir weibliche Führung entwickeln und etablieren können.

Wo wir heute stehen:

Die Frauenquote im gesamten Unternehmen ist verhältnismäßig gut. In der Führung ist sie das nicht. Wir haben uns auf den Weg gemacht, das zu ändern. Ein Hindernis ist die insgesamt schlechte Bewerberlage und der fortschreitende Fachkräftemangel.

Wo wir hinwollen:

Wir haben drei große Baustellen: 1. Frauen in technischen Berufen fördern, 2. Frauen zu Führung ermutigen und in ihrer Führungsrolle stärken, 3. die Männer in die Pflicht nehmen. Denn ist euch beim Lesen aufgefallen: Wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht, sprechen wir nicht von Thomas, Andreas und Stefan. Wir sprechen nur von den Frauen im Unternehmen. Und das ist der Punkt: Solange Frauen den größten Anteil an der Care-Arbeit leisten, solange Frauen in über 90 Prozent aller Fälle nach der Elternzeit in Teilzeit gehen und bleiben, solange Frauenförderung am Willen der Männer hängt, solange Mental Load, also das „Immer-an-alles-denken-müssen“ überwiegend von Frauen getragen wird, solange Kind die Karriere beendet, solange wir Markus und Martin nicht im Boot haben – solange können wir nur die Symptome lindern. Und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisieren, dass es auch anders geht.

Zur Autorin:
Melanie Wasner arbeitet in der Personalentwicklung der swt. Sie hat drei Kinder und ein Diplom in Betriebswirtschaft. Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist auch für sie nicht immer ganz einfach (wie dieser Beitrag zeigt). Gute Planung, ein Netzwerk aus Freunden und Familie, das Schule und Kindergarten ergänzt und eine gerechtere Aufteilung der Familienaufgaben machen es dennoch möglich, im Beruf durchzustarten.

Wie steht ihr zum Thema Frauenförderung? Was kann ein Unternehmen aus eurer Sicht tun? Wir freuen uns auf eure Kommentare.

Wie wir arbeiten: Hier geht’s zu weiteren Geschichten!

4 Gedanken zu „Frauen: Fachkräfte in der Mangel

  1. vielen Dank für das umfangreiche Thema.
    Einige faire Bedingungen wurden bei den SWT bereits eingeführt. Homeoffice, Teilzeit , Gleitzeit, Frauennetzwerk, Weiterbildung.

    Um Frauen aus unterschiedlichen Bereichen anzusprechen, ist es vielleicht notwendig, eine Firmeneigene KITA zu gründen. evtl auch in Kombination mit Interkulturellen Kompetenz, um Frauen aus allen Kulturen anzusprechen und gewohnte Familienplanungen zu durchbrechen.

    Ich gehe da von mir aus. Oft wusste ich nicht, wohin mit meinem Kind, sobald Projekte anstanden, die zeitintensiv waren.

    Zusätzlich wäre man unabhängiger als Frau von der Entscheidung, ob der Mann oder die Frau zu Hause bei dem Kind bleiben sollte, da gute KITA Plätze incl. guter Pädagogik immer schwerer zu finden sind. Gut ausgebildete Menschen von heute, sind die besten Träger einer Gesellschaft von morgen.

    Ein paritätischer Lohn spielt auch eine große Rolle. Denn eine qualifizierte KITA kostet Geld und eine Anerkennung der Doppelbelastung wäre gleich mit gegeben. bzw. Gleichberechtigung – gleicher Lohn für die selbe Leistung…
    Das sind nur zwei Gedankenspiele. evtl könnte das Thema Diversität ausgeweitet werden.

    1. Vielen Dank für den Kommentar und die ausführliche Einschätzung! Ja, das Thema ist noch lange nicht ausdiskutiert und -überlegt, es gibt viele verschiedene Ansätze und Möglichkeiten. Schön, wenn wir dazu im Austausch bleiben!

  2. Ich freue mich außerordentlich über diesen wichtigen Beitrag und bedanke mich sehr für diese Initiative, liebe Melanie Wasner! Insbesondere die Entwicklung in den letzten Jahren bei den swt stimmt mich sehr hoffnungsvoll.
    Nur Mut und weiter so, liebe Stadtwerke-Kolleginnen!

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