„Tübingens schönster Sommer-Ort“

An den Sommer 2020 werden wir uns noch lange erinnern. Urlaubspläne und lieb gewonnene Gewohnheiten – von Corona zunichte gemacht. Abstandhalten und Maskentragen bestimmen unseren Alltag. Umso schöner, dass das Tübinger Freibad für die Zuhausegebliebenen öffnen konnte. Wie lief die Saison unter Corona-Bedingungen? Ein Besuch.

Einer der letzten Sommerferientage. 12 Uhr, 28 Grad, wolkenloser Himmel. Erstaunlich, wie wenig im Freibad los ist: Ein paar Kleinkinder planschen, einige größere toben sich an den Rutschen aus, ein Dutzend Schwimmer ziehen ihre Bahnen. Wirkt alles entspannt und ganz normal – doch das ist es nicht. Nicht in diesem Sommer.

Viel Platz auf den Liegewiesen.

„Selten haben wir eine Saison so herbeigesehnt“, erzählt Freibadleiter David Letzgus-Maurer. Wegen der Corona-Pandemie blieben ab März alle Bäder erst einmal geschlossen. Am 4. Juni legte die Landesregierung die Öffnungsbedingungen fest – „eine große Herausforderung!“ Unter Hochdruck klärten die Stadtwerke zahllose Details, fanden praktikable Lösungen, holten Rat beim Gesundheitsamt. Um die Zahl der Badegäste zu kontrollieren, musste ein Online-Buchungssystem her. Die Preisstruktur wurde vereinfacht, Preise reduziert, Zeitfenster und Desinfektionspausen eingerichtet. „Ziel war, trotz Hygiene- und Abstandsregeln möglichst vielen Gästen den Freibadbesuch zu ermöglichen“, so Letzgus-Maurer.

Freibad-Chef David Letzgus-Maurer hatte längst mit den Vorbereitungen begonnen. Dann kam der Lockdown.

Bis zum 15. Juni mussten die schwimmbegeisterten Tübingerinnen und Tübinger noch warten, dann konnte das Freibad öffnen – zunächst nur zum Schwimmen. Rutschen, Kinder- und Sportbereich waren gesperrt, auch Massagedüsen und Wasserspeier blieben erstmal zu.

Der Bäder-Fachangestellte Mark Philipp Raab berichtet: „Wir haben uns gefreut, als es endlich losging und die Kurzarbeit ein Ende hatte. Anfangs waren wir vorsichtig, die Abläufe ungewohnt, doch es lief gut. Und weil die Badegäste so diszipliniert waren, konnten wir schon nach den ersten Tagen nachbessern.“ Planschbecken und Kiosk öffneten, dann auch Sprungtürme, Rutschen, Sportplätze. Die zugelassene Besucherzahl wurde erhöht: maximal 3.500 dürften nun über den Tag verteilt kommen – 1.000 mehr als zu Saisonbeginn und doch weit weniger als die in an Sommertagen üblichen 6.000 bis 8.000. An heißen Sommertagen war das Freibad häufig schon mehrere Tage im Voraus ausgebucht. Zur Beckenaufsicht wurden mehr studentische Aushilfen angeheuert.

„Im Mittelpunkt steht die Gesundheit unserer Badegäste.“ Mark Philipp Raab

„Unser Job hat sich verändert“, so Raab. „Wir müssen die Schwimmer zählen und ständig im Auge behalten.“ Acht Personen sind pro 50-Meter-Bahn sind erlaubt, mit Sicherheitsabstand, im Einbahn-Verkehr und ohne Überholen. „So ist das Schwimmen viel angenehmer als sonst“, findet eine Kundin, „schade nur, dass wir bald schon wieder raus müssen.“

Stressfrei schwimmen mit Einbahnverkehr im Sportbecken

13.00 Uhr, am Nichtschwimmerbecken beendet Jürgen Kuschnitzki gleich seine Schicht: „Wir kommunizieren deutlich mehr“, stellt er fest. „Ständig darauf hinweisen zu müssen, was verboten ist, war anfangs nicht so angenehm. Aber wir hatten nie aggressive Vorfälle wie andere Bäder. Es gab zwar Diskussionen, etwa über geschlossene Innenduschen, doch 95 Prozent der Gäste haben Verständnis und Spaß und machen toll mit.“ Für alle, die es genau wissen wollen, ist die Landesverordnung im Wortlaut ausgehängt. „Man merkt allerdings, dass die Leute weniger spontan kommen“, meint Kuschnitzki, „ist die Wettervorhersage durchwachsen, bucht keiner.“

13.15 Uhr, Zeit für die Durchsage: Mark Philipp Raab bittet alle, das Wasser zu verlassen. Die Becken leeren sich, auf den Liegewiesen beginnt das große Einpacken. Während vormittags bei laufendem Betrieb desinfiziert wird, muss das Bad zur zweiten Reinigung leer sein. Der Cut ist wichtig, um im Infektionsfall Kontakte besser nachverfolgen zu können.

13.30 Uhr, die Reinigungspause beginnt. Die jungen Rettungsschwimmer, die eben noch Aufsicht geführt haben, machen rund um die Becken sämtliche Handläufe an Einstiegen und Geländern mit Desinfektionsmittel keimfrei. Azubi Juro Masic kommt zur Schicht, es ist sein dritter Freibad-Sommer: „Am seltsamsten ist es, abends ohne Kopfschmerzen heimzukommen – der Lärm fehlt, selbst wenn ausgebucht ist.“ Er nutzt die Zeit nach dem Desinfizieren schnell noch für einen Sprung ins Wasser, bevor die nächsten Gäste kommen.

Azubi Juro Masic konnte den Freibad-Sommer kaum erwarten.

14.00 Uhr, im Umkleide- und Sanitärbereich ist man weniger relaxed. Das Reinigungsteam muss sich ordentlich beeilen. Für Susanne Urbanek die anstrengendste Zeit des Tages: „In 45 Minuten müssen wir überall durch sein.“ Auch während des Betriebs trifft man sie hier beim Putzen und Desinfizieren an. Die Duschen und ein Teil der Toiletten sind geschlossen. Hier müssen Masken getragen werden. „Ich verstehe ja, dass das lästig ist“, meint sie, „doch wir halten uns streng an die Vorschriften und tun, was wir können.“ So haben die swt gerade neue Ventilatoren eingebaut: In den umgerüsteten „Dunstabzugsduschen“ kann bei frischeren Außentemperaturen dann auch wieder warm geduscht werden.

14.15 Uhr, vor dem Freibad-Eingang haben sich lange Schlangen gebildet. 1.800 Personen werden am Nachmittag erwartet, das erlaubte Maximum. Pünktlich hebt sich das Rollgitter, zusätzlich öffnen Mitarbeiter den Seiteneingang. Zu viert stehen sie zum Check-In bereit.

„Auch wenn manche das Online-Buchen umständlich finden – es funktioniert gut“, so Markus Schmid, der unermüdlich Ticketausdrucke und Handydisplays scannt. Bei Familien für jedes Kind einzeln. Wenn Belege fehlen, hilft er weiter, ermittelt die Buchung im System. „Ein bisschen Geduld muss man schon mitbringen“, meint er. In den ersten Wochen ging es chaotischer zu, da half ein Security-Dienst, Gedränge aufzulösen. „Wir müssen beim Einlass aufs Maskentragen achten und haben da anfangs viel Unmut abbekommen. Doch inzwischen sind alle routiniert. Eine gute Saison“, so sein Fazit. Nach einer Viertelstunde sind die meisten drin, um 15 Uhr haben sich die Schlangen aufgelöst – auf dem Freibadgelände herrscht wieder fröhliches Treiben, bis Sonnenuntergang.

„Wir finden es so toll hier!“, schwärmt eine Besucherin. Mark Philipp Raab freut sich über das Lob. Tatsächlich haben sich viele Kundinnen und Kunden beim Freibad-Team bedankt, auch in E-Mails und Briefen. Das motiviert. Er ist überzeugt: „Das Freibad ist der schönste Sommer-Ort in Tübingen! Es gibt kaum einen anderen, den man mit so wenigen Einschränkungen genießen kann.“

Eine ganze Menge Leute konnte das Freibad-Team glücklich machen. In Zahlen: Rund 145.000 Besucher kamen 2020 (Stand Ende September). Im vergangenen Jahr waren es 300.000.   

Und jetzt?
Das Freibad soll solange geöffnet bleiben, wie es die Temperaturen zulassen, denn unter freiem Himmel lässt sich der Infektionsschutz am besten meistern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich auf die Verlängerung, wenn Morgennebel und Herbstfarben eine ganz besondere Stimmung zaubern, und hoffen auf viel Herbstsonne!

Vieles ist anders in dieser Corona-Saison. Nur der Fahrradparkplatz zeigt am Nachmittag wieder das gewohnte Bild.

Aktuelle Bäder-Infos unter www.swtue.de/baeder

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