Am 22. März rufen die Vereinten Nationen zum Weltwassertag auf. Schon seit 30 Jahren soll dieser Tag die unverzichtbare Ressource allen Lebens in den Mittelpunkt rücken. 2022 lautet das Motto „Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz“. Der elementaren Bedeutung des Grundwassers will auch ich heute nachgehen. Zum Beispiel in einem Tübinger Pumpwerk. Ist unser Grundwasser bedroht? Wie steht es um seine Qualität? Was kann ich tun, um es zu schützen? Diese Fragen möchte ich den Kollegen stellen.
Wir wissen es alle: Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Unser Lebenselixier. In diesem Blog beschäftigt uns das Thema immer wieder. Besonders heute am Weltwassertag. Diesmal heißt es: Vorhang auf für einen unsichtbaren Schatz tief im Boden. Unser Grundwasser. Aus ihm werden in Deutschland rund 70 Prozent des Trinkwassers gewonnen. Und es ist in Gefahr.
Die Bedrohung
Deutschland ist ein wasserreiches Land. Und doch habe ich in den letzten Sommern immer wieder mal gehört, dass Hitze und Trockenheit regional zu Engpässen beim Trinkwasser geführt haben – in Gemeinden in Bayern, in Hessen oder im Hochschwarzwald. Dreht uns die Klimakrise das Wasser ab? Diese Frage hat gerade eine ARD-Doku-Serie gestellt. Trotzdem scheint aktuell nicht so sehr die Menge das Problem zu sein, sondern die Qualität und der Erhalt an sich.
So sieht das unser Kollege Matthias Jeckel, bei den Stadtwerken Tübingen Bereichsleiter für Versorgungsnetze: „Das Trinkwasser in Deutschland wird voraussichtlich nicht knapp werden, weil es zu wenig Wasser gibt, sondern weil immer weniger davon nutzbar ist. Mehr Verschmutzung, weniger Schutzgebiete und weniger Bodenpassagen werden das Trinkwasser eher limitieren als der Klimawandel. Und: Unsere Wasserschutzgebiete sollten unantastbar bleiben!“
In vielen Regionen vor allem im Norden und Osten Deutschlands ist das Grundwasser erheblich belastet. Schuld ist Nitrat, das durch Massentierhaltung oder übermäßiges Düngen in den Boden gelangt. Teils so gravierend, dass man nur schwer Trinkwasser aufbereiten kann. Auf der Webseite des Umweltbundesamtes erfahre ich, dass 2020 bei 16 Prozent der deutschen Messstellen der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter überschritten wurde. In landwirtschaftlicher Umgebung sogar bei 27 Prozent der Messstellen.
„Trinkwasserschutz ist vor allem Grundwasserschutz!“
Wie sieht das in Tübingen aus? Ein Besuch im Grundwasserbrunnen
Zum Glück sind wir in Tübingen noch weit weg von Krisenszenarien. Auch in unserem Trinkwasser ist Grundwasser enthalten, das die Stadtwerke fördern. Zu rund einem Viertel. Der größere Teil stammt aus dem Bodensee. Im Mischbehälter auf dem Sand werden das „Eigenwasser“ und das Bodenseewasser im Verhältnis 1:3 gemischt und von hier aus verteilt. Die wichtigsten Grundwasserbrunnen der Stadtwerke liegen im Gehrnfeld bei Hirschau und im Unteren Neckartal bei Lustnau. Der Brunnen in der Au, der älteste betriebsbereite Tübingens, dient schon lange nur noch als Reserve. Ebenso der Wildermuth-Brunnen.
Ralf Deninger ist Wassermeister bei den Stadtwerken und einer der Wächter über das Tübinger Grundwasser. Ich treffe ihn in der Nähe des Pumpwerks Unteres Neckartal. Hier ragen in gewissen Abständen schmale schwarze Röhren aus dem Boden: „Vorfeld-Messstellen“, lerne ich. Ralf öffnet einen Deckel und lässt durch das Loch einen Wassersensor an einer langen Schnur hinunter, um den Pegel zu bestimmen. Die Sonde piepst: „Alles gut.“ Der Grundwasserstand ist hier etwa auf Neckarniveau, in vier Metern Tiefe. Und abgesehen von leichten jahreszeitlichen Schwankungen ist er stabil. Mit einer kleinen Pumpe entnimmt Ralf eine Probe.
Jeder Brunnen liegt in einem eigenen Wasserschutzgebiet, eingeteilt in vier Schutzzonen: Je näher am Brunnen, desto strenger. Schutzzone I, der Fassungsbereich, ist eingezäunt. Betreten für Unbefugte verboten. Schutzzone II, in der wir momentan stehen, erstreckt sich bis zu der Linie, von der das Grundwasser 50 Tage braucht, um in die Wasserfassung zu gelangen. „In dieser Zeit werden mikrobiologische Verunreinigungen abgebaut“, erklärt Ralf. „Auf keinen Fall darf Abwasser oder Gülle hier in den Boden eindringen. Falls wir das feststellen, können wir noch rechtzeitig reagieren.“ Oder, wie es ein anderer Kollege mal ausgedrückt hat: „Im Wasserschutzgebiet sollte man nicht mal an einen Baum pinkeln.“
Die äußeren Schutzzonen III a und b reichen bis zur Grenze des Brunnen-Einzugsgebiets. Auch hier gelten strenge Regeln für Industrie und Landwirtschaft. Zusammengenommen haben die Tübinger Trinkwasserschutzgebiete eine Fläche von rund 300 Hektar, das entspricht etwa 200 Fußballfeldern. Zuständig für die Festlegung der Schutzzonen ist das Landratsamt, der Wasserversorger hat sie zu überwachen. Die swt arbeiten hier mit ihren Nachbarn, der Ammertal-Schönbuch-Gruppe und den Stadtwerken Rottenburg zusammen. „Die Kollegen kontrollieren die Schutzgebiete regelmäßig auf Müll, Dünger oder Bodenablagerungen“, sagt Ralf. „Wir selbst schauen mindestens einmal pro Woche in der Schutzzone I und in unseren Pumpwerken nach dem Rechten.“
So wie wir jetzt. In einem eingezäunten Areal mitten in den flachen Feldern östlich von Lustnau, zwischen Neckar und B 27, steht das Häuschen, in dem die Pumpen brummen. Ich blicke in den tiefen, kreisrunden Brunnenschacht. Was ich hier sehe ist das frisch geförderte Rohwasser. „Das hat schon Trinkwasserqualität!“, betont Ralf. In der Tat ist das Grundwasser im Neckartal so sauber, dass es weder gereinigt noch aufbereitet werden muss, denn die Kies- und Sandschichten im Boden wirken wie ein Filter. Jede Woche wird hier eine Probe genommen und mikrobiologisch analysiert. Und um trotzdem jedes Risiko durch Keime auszuschließen, wird das Rohwasser für seinen bevorstehenden Weg minimal gechlort (mit 0,1 mg/l Cl2, zulässig wäre das Dreifache). Zur Sicherheit. Schmecken kann man das übrigens nicht (anders als zum Beispiel in Paris, wo ich mal gelebt habe und wo mir der Chlorgeruch schon aus dem Wasserhahn entgegenkam. Auch in den USA ist das Leitungswasser so stark mit Chlor versetzt, dass Amerikanern hierzulande direkt etwas fehlt.)
Eine Druckleitung befördert das Rohwasser von hier bis hinauf zum Wassermischbehälter Sand. Die Entnahmerechte erlauben für das Untere Neckartal bis zu 77 Liter pro Sekunde. „Wir pumpen aber nur einen Bruchteil davon“, sagt Ralf. „Schließlich wird zu drei Vierteln Bodenseewasser dazu gemischt.“ Und wenn es mal ein Problem mit der Bodensee-Wasserversorgung gäbe? „Dann hätten wir genug Spielraum nach oben. Wir könnten uns im Notfall ausschließlich mit Eigenwasser versorgen.“ Überwacht und gesteuert wird das alles digital von der Leitstelle in der swt-Zentrale aus. Die Kolleginnen und Kollegen dort haben das ganze Wassernetz stets im Blick. Sollte im Extremfall Hochwasser oder Starkregen die Schutzgebiete überfluten und Oberflächenwasser in die Brunnen laufen, können die schnell abgestellt werden. Auch dafür ist es gut, dass sie weit auseinander liegen, an entgegengesetzten Enden der Stadt.
„Ein Wasserwerk“ gibt es in Tübingen nicht. Der Begriff sei ein bisschen irreführend, so Ralf: „Schließlich stellen wir das Trinkwasser ja nicht her. Wir mischen lediglich zwei hervorragende Wässer. Und lassen dabei die im Eigenwasser enthaltene Kohlensäure entweichen.“ Was viel Arbeit macht, ist die Infrastruktur: Brunnen und Behälter, Pumpen und 600 Kilometer Rohrnetz müssen jederzeit funktionstüchtig und hygienisch einwandfrei sein. „In den letzten Jahren wurden die großen Behälter saniert und an einer neuen Hauptleitung quer durch Tübingen gebaut. Gerade rüsten wir alle unsere Pumpen mit Hocheffizienz-Motoren aus. Die sparen Energie“, berichtet Ralf.
Exkurs: Was ist eigentlich Grundwasser?
Ganz einfach: der unterirdische Teil des Wasserkreislaufs. Entstanden aus Regenwasser, das so lange im Boden nach unten sickert, bis es auf eine undurchlässige Schicht stößt. Über dieser sammelt es sich in den Hohlräumen zwischen Sand, Kies und Gesteinen. Gespeichert wie in einem Schwamm.
Was mich erstaunt: Das Grundwasser ist kein stehendes Gewässer, sondern ein langsam fließender Strom, der sich nach dem Gesetz der Schwerkraft bewegt. Manchmal nur Zentimeter unter der Oberfläche, manchmal mehrere Hundert Meter tief. Das Grundwasser speist Pflanzen, Bäche und Flüsse, es tritt aus Quellen aus oder schlummert Jahrmillionen in der Erde.
Der Geologe Helmut Eck beschreibt den Grundwasserstrom im Neckartal in unserem swt-Trinkwasserbuch. Einen halben Meter bis zwölf Meter legt der am Tag zurück, parallel zum Fluss. Schneckentempo ist dagegen ein Sprint. In etwa vier Jahren erneuert sich das Grundwasser komplett. Eck vergleicht es mit einem „imaginären See“ zwischen Rottenburg und Tübingen, in einer leicht nach Osten geneigten „Wanne“ aus festem, wasserundurchlässigem Keuper-Gestein, das auch den Rammert und den Spitzberg bildet. Während der letzten Eiszeit trug der Neckar Sand und Kies dort hinein. Steinchen von weniger als einem Millimeter bis zu mehren Zentimetern Durchmesser, darunter viel Muschelkalk. Bis zu elf Meter dick ist der Kieskörper, die wasserführende Schicht vier bis fünf Meter.
Dass Grundwasser so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck ist, liegt an der Bodenbeschaffenheit. Auf seinem Weg durchs Neckartal hat unser Grundwasser viel Calcium und anderen Mineralien gelöst und ist daher sehr „hart“ (30 °dH). Nicht schlimm für uns, eher für unsere Haushaltsgeräte, die damit schnell verkalken würden. Der Bodensee-Mix macht das „TüWasser“ weicher. Wo auch immer man in Tübingen zu Hause ist, liegt es im mittleren Härtebereich 2. Im Wassermischbehälter habe ich schonmal einen Geschmackstest gemacht: Dass das Grundwasser gehaltvoller ist als das vom Bodensee, schmeckt man tatsächlich.
Übrigens kommt weniger als die Hälfte von dem was herunterregnet, im Grundwasser an. Ein großer Teil verdunstet oder fließt an der Oberfläche und über die Kanalisation ab. Der Boden ist nur begrenzt aufnahmefähig. „Sind Flächen stark versiegelt, kann sich das Grundwasser nicht neu bilden“, sagt Wassermeister Ralf. „Auch Starkregen wie im letzten Sommer nutzt dem Grundwasser gar nichts. Das ist zu viel Wasser in zu kurzer Zeit“. Mit Flüssen steht das Grundwasser in ständiger Wechselwirkung. Flusswasser kann als Uferfiltrat eindringen. Führt der Fluss weniger Wasser oder fließt er schneller, senkt das den Grundwasserspiegel. Darum ist es so wichtig, Flussauen zu renaturieren.
Qualitätskontrolle: Alles vor Ort
Kommen wir zu den „inneren Werten“ unseres TüWassers. Kein Lebensmittel wird in Deutschland so streng kontrolliert wie Trinkwasser. Die Trinkwasserverordnung regelt das ganz genau. Für Ralf und seine Stadtwerke-Kollegen ist das Routine. Jede Woche entnehmen sie Proben in Brunnen, in Wasserspeichern und im Netz – über 500 im Jahr, mehr als vorgeschrieben – und schicken sie an verschiedene Labore. Auf Grundwasseranalytik hat sich das Institut Berghof spezialisiert, ansässig in Tübingen-Lustnau. Wenn der Kollege seine Runde von Brunnen zu Brunnen, von Pegel zu Pegel macht, sammelt er die Proben in kleinen Fläschchen in einer Kühltasche und fährt dann rasch dort vorbei. Andere Proben landen im Umweltlabor „Eurofins Institut Jäger“ am Südrand von Tübingen. Hier analysieren Experten Wasserproben aus ganz Deutschland, 150.000 im Jahr. Bis aufs Nanogramm (ein Milliardstel Gramm!) spüren sie Stoffen nach, die nicht hineingehören: Pestiziden, Chemikalien, Röntgenkontrastmitteln oder Rückständen von Medikamenten.
„Das ist natürlich super, dass wir die Labore direkt vor Ort haben“, sagt Ralf. Die Wissenschaftsstadt Tübingen halt. „Andere müssen ihre Proben umständlich einschicken. Bei uns geht das ratz-fatz.“ Einen kurzen Draht haben die Tübinger Wassermeister auch zum Gesundheitsamt, das über die Beprobung stets auf dem Laufenden ist – und im Fall von Verunreinigungen weisungsbefugt.
Wie ist das nun mit dem Nitrat im Grundwasser? Das liegt im „grünen Bereich“: 2020 waren es 18,5 Milligramm im Unteren Neckartal, 14 Milligramm im Gehrnfeld-Brunnen, im Mischwasser noch sehr viel weniger: 7,2 bei einem Grenzwert von 50 Milligramm. Pflanzenschutzmittel, Arzneimittelrückstände und Hormone wurden glücklicherweise noch nicht vorgefunden, und wir hoffen, dass das noch lange so bleibt.
Der jährliche Trinkwasserbericht bezeugt die hervorragende Qualität: www.swtue.de/wasser
Die Analysedaten der Bodensee-Wasserversorgung sind hier abrufbar:
www.bodensee-wasserversorgung.de
Hier die der ASG (Ammertal-Schönbuchgruppe), die einige westliche Ortsteile versorgt: www.asg-wasser.de
Was kann ich für den Grundwasserschutz tun?
Wenn ich mit einem munteren Bächlein die blitzschnelle Forelle assoziiere, gleicht das Grundwasser eher einem Elefant: großer Körper, eher träge unterwegs, dafür mit langem Gedächtnis. Vergisst nichts. Sickert Dreck ins Grundwasser, macht sich das manchmal noch nach Jahrzehnten bemerkbar. Kann man überhaupt etwas für das Grundwasser tun, wenn man weder Landwirt noch Landschaftsplaner ist?
Die Antwort ist: Ja, unbedingt! Denn auch unsere Lebensweise gefährdet das Grundwasser. Und so manches, was unsere Flüsse verschmutzt, stammt aus unseren Haushalten und verteilt sich über das Abwasser im gesamten Wasserkreislauf.
Hier ein paar Tipps unserer swt-Wasserexperten:
- Verzichte im Garten auf Pflanzenschutzmittel.
- Wasche das Auto dort, wo Ölrückstände professionell entsorgt werden.
- Missbrauche Abfluss und Toilette nicht als Mülleimer. Medikamente, Farbreste und Zigarettenkippen haben da nichts zu suchen.
- „Viel hilft viel?“ – Nicht beim Waschen und Putzen! Verwende nicht mehr Wasch- und Putzmittel als nötig und möglichst keine aggressiven Chemikalien. Faustregel: Je spezieller ein Putzmittel, desto schädlicher.
- Vermeide Mikroplastik, das über Kosmetik und Synthetik-Klamotten ins Abwasser gelangt.
- Handle jetzt! Im Gegensatz zu Grundwasser haben wir ja zum Glück eine kurze Reaktionszeit. Nicht elefanten-, sondern forellenmäßig. Theoretisch.
Seitenblick zur Kläranlage und „Aus kalt mach warm“
À propos: Wie geht’s den Fischen im Neckar? Anders als beim Tübinger Trinkwasser setzen ihnen Hormone, Medikamentenrückstände und Haushaltschemikalien durchaus zu. Wie gut, dass die Tübinger Kläranlage jetzt durch eine vierte Reinigungsstufe erweitert wurde! Eine Ozon-Anlage – die zweite dieser Art in Baden-Württemberg – filtert nun die bedenklichen Spurenstoffe aus dem Abwasser. (Dafür sind übrigens nicht die swt zuständig, sondern die Kommunalen Servicebetriebe.)
Zum Schluss noch eine echt verrückte Idee: Mit dem Grundwasser heizen? Das tun Menschen bald im Tübinger Ortsteil Bühl. Dort entsteht in einem Neubaugebiet ein „kaltes Nahwärmenetz“ mit Grundwasser-Wärmepumpen. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Tag …
Das ihr das Wassers einmal in der Woche analysiert, ist wirklich sehr gut. Dadurch fühlt man sich sehr sicher, wenn man so etwas hört. Und der Chloranteil hört sich auch wirklich sehr gering an.
Danke dir, Mira.
Ja, wir können unserem Tübinger Trinkwasser wirklich vertrauen. Das Nachhaltigste, das man hier trinken kann 😉
Gruß vom swt-Blog-Team